Die Entwaffnung der Freischärler

Vor auf den Tag genau 2 Jahren war ich zu einer Tagung über prophetisch-apostolische Arbeit im kanadischen Toronto. Die Konferenz fand in der Toronto Airport Christian Fellowship statt, einer international berühmt gewordenen ehemaligen Vineyard-Gemeinde unter der Leitung von John und Carol Arnott. Seit 1994 kamen dort buchstäblich Millionen von Menschen zusammen, um "den Toronto Segen" zu erleben. Die beinahe täglichen Abendgottesdienste waren mit 3.000-5.000 Menschen übervoll. Beobachter sprachen von einer der langanhaltendsten Erweckungen der Geschichte; als ich im Jahr 1999 einen Freitagsfaxbericht darüber schrieb, feierte man gerade den 3-Millionsten Besucher.

 

Als ich an diesem Novemberabend 2003 in der gähnend leeren Halle der Gemeinde saß und darauf wartete, bis unsere Tagung (die übrigens nur aus logistischen Gründen dort stattfand) in einem Oberstübchen der Kirche begann und solange den Musikern der Gemeinde zusah, die, wie in geübter Routine, ihre Instrumente aufbauten und einen täglichen Abendgottesdienst abhielten (besucht von einem verlorenen Häuflein von ca. 20 Menschen), beschlich mich eine klamme Frage. Ich fragte mich nicht nur: wo sind alle diese Millionen von Menschen geblieben? Sondern: wo ist Gott geblieben? Und so fragte ich ihn: "Wie siehst Du das, Gott, was hier geschah - und nun nicht mehr geschieht? Wie sieht die Kirchenlandschaft hier aus Deiner Perspektive aus?"
 

In den folgenden Minuten hatte ich das, was prophetische Fachleute wohl eine "offene Vision" nennen. Dabei sieht man "im Geist" nicht nur einen Film, sondern erlebt sich als Teilnehmer; man ist selber mitten "im Film". Da ich denke, dass dies für viele eine erstaunlich neue Perspektive des derzeitigen Handelns Gottes geben könnte, hier eine kurze "Filmbesprechung":

 

Die 3 Stationen
In einer langen Reihe sah ich, wie ständig neubekehrte Menschen einer nach dem anderen ins Reich Gottes kamen. Alles war neu für sie. Und deshalb waren für alle Neuankömmlinge zunächst drei Stationen aufgebaut, an denen sie sich alle melden sollten. An der ersten Station sollten sie sich in die Armee Gottes einschreiben und sich Gott gegenüber ihrer völligen Loyalität verpflichten. Sie standen jetzt unter Befehl, und gehörten nicht länger sich selbst. Sie bekamen dort eine Uniform und Stiefel. Am 2. Stand bekam jeder ein Schwert, am 3. Stand eine Sichel, also ein Erntewerkzeug. Doch das Erstaunliche: nur einer von vielleicht 1.000 ging überhaupt zum 1. Stand; fast alle gingen direkt zum Schwertstand, und ebenfalls fast alle ignorierten den 3. Stand. Kaum einer war, wie eigentlich von Gott ausdrücklich so vorgesehen, bei allen 3 Ständen.

 

Das Freischärlertum
Alles drängte so schnell wie möglich direkt auf eine riesige Ebene, die voller Menschen und Aktivität war. Unter einer enormen Staubwolke, aufgeworfen durch die vielen Füße, formten sich sehr schnell kleine Gruppen, denen sich die Neuen anschlossen. Diese zahllosen Gruppen und Grüppchen machten Banner, trugen ihre eigenen Wimpel und Fahnen, ihre Uniformen waren inzwischen bestickt mit den phantasievollsten Abzeichen und Logos. Es herrschte unbeschreibliches, farbiges Durcheinander. Es hatten sich tausende von Fähnlein und Milizen gebildet, mit anderen Worten: Freischärler. (Freischärler sind, so die Lexikondefinition, Angehörige einer paramilitärischen Formation, der sogenannten Freischar. Sie nehmen freiwillig ohne offizielle Ermächtigung einer der kriegsführenden Staaten an einem Krieg teil.) Das Chaos war perfekt. Die einen bliesen zum Angriff, die andern zum Rückzug. Manche hielten bizarre Rituale ab, andere saßen um Lagerfeuer und lachten. Die einen trainierten Schwertkämpfe, andere wiederum sammelten Waffen ein und sprachen von Frieden. Manche Gruppen dieser Freischärler griffen sich sogar gegenseitig an. Es war eine Situation voll hektischer Aktivität - aber ohne jede erkennbare Ordnung. Generäle spielten Koch, Köche waren Piloten, Piloten gruben Schützengräben. Ich war entsetzt. Es war mir klar: kein Krieg kann mit einer solchen Armee jemals gewonnen werden. Alle waren bis aufs Äußerste beschäftigt und verplant, aber die eifrigen Aktivitäten verliefen langfristig buchstäblich im Sande.

 

Die Engel
Plötzlich schrie jemand: "die Engel Gottes kommen!" Und tatsächlich: in einiger Ferne war eine riesige Zahl von weißen Kriegern Gottes zu sehen. Mächtige, fast überlebensgroße Engel. Ein ohrenbetäubendes Schreien und Jubeln ging jetzt durch die Menge. "Halleluja, die Engel Gottes kommen, jetzt geht es endlich los!" Der Jubel war unbeschreiblich. Doch ganz langsam ebbte die Begeisterung ab. Immer weniger Halleluja-Rufe erklangen. Schließlich war alles still. Dann sah auch ich die Engel genauer; sie standen dicht beieinander, wie Polizisten vor einem Heer randalierender Demonstranten, mit entschlossenen, ja traurigen Gesichtern. Wie eine weiße Phalanx kamen sie langsam auf die bunte Schar zu, Schritt für Schritt. Betroffenheit breitete sich aus. Die ersten Fähnlein begannen zurückzuweichen. Mit bleichen Gesichtern stolperten die Menschen rückwärts, schockiert, unfähig zu begreifen, was da geschah. Manche verloren vor Schreck ihre Schwerter oder ihre Wimpel. Die Masse der Menschen drängte sich in einem riesigen Tal, das allerdings keinen Ausgang hatte, während die Reihe der Engel langsam aber bestimmt vorwärtsschritt. Schließlich waren alle in diesem Tal eingepfercht wie die Schafe, dessen Offnung durch die lange Reihe der Engel wie versiegelt war. Manche begannen zu weinen, andere schrieen zu Gott um Erbarmen; manche riefen um Hilfe. Doch die meisten waren einfach nur verstummt.

 

Schließlich trat ein sehr großer Engel nach vorne und sagte mit einer überlauten Stimme, die jeder bis in den letzten Winkel des Tales vernehmen konnte "Es ist genug. Ihr habt lange genug eigenmächtig gehandelt. Beendet jetzt euren selbstgemachten Krieg. Ergebt euch eurem Gott. Legt eure selbstgemachten Wimpel, eure Fahnen und Trompeten ab. Ebenso die Uniformen und Stiefel, die man euch gegeben hat, sowie alle selbstgemachten Abzeichen. Tut Buße, denn Ihr wart ungehorsam. Legt alles zum Zeichen der Reue neben euch auf den Boden, kniet euch selbst hin und bittet Gott den Vater, euch zu vergeben. Dann wird Er euch in seiner Gnade einen neuen Anfang schenken."

 

Die Menschen erstarrten. Ungläubiges Staunen breitete sich aus. Manche begannen zu diskutieren. Einige wenige Stimmen schrieen sogar: "Hört nicht auf sie! Hört auf mich!" Doch einige begannen zu verstehen. Von einzelnen Stellen konnte man tiefes Schluchzen hören. Zuerst nur ganz wenige entfernten zaghaft die farbigen Abzeichen, legten ihre Wimpel oder Fahnen zu Boden, zogen langsam die Uniformen aus und knieten sich in den Staub.

 

Dort baten sie Gott um Vergebung für ihren Ungehorsam, für ihre Selbstsucht. Immer dann, wenn ein weiterer Mensch sich niederkniete - manchmal waren es ganze Gruppen von Milizionären- löste sich ein Engel aus der Phalanx, ging zu der betreffenden Person, nahm alle abgelegten Utensilien an sich und trug sie hinaus auf die Ebene, wo ein großer Berg aus Wimpeln, Uniformen und allerlei anderen Dingen entstand. Dann kehrte der Engel um und stellte sich neben der knienden Person auf -zum Zeichen und als Wächter. Denn manche, die noch immer nicht verstanden, was gerade geschah, waren erbost , riefen Dinge wie "Verräter, Deserteur!" zu denjenigen, die sich niedergekniet hatten, und befahlen ihnen, sich wieder ihrem Haufen anzuschließen. Doch die Zahl der unbeugsamen Rebellen und Milizenführer wurde immer kleiner. Immer mehr Menschen erkannten, dass sie einem unglaublichen Irrtum aufgesessen waren, und begannen ihre Waffen und Uniformen abzulegen - bis schließlich, nach langer Zeit, alle knieten. Die Engel hatten den riesigen Haufen der Phantasieuniformen und Wimpel angezündet, und schließlich sahen alle gebannt zu, wie die einstmals so kostbaren Abzeichen in einem Feuersturm außerhalb des Tales verging. Schließlich, als das große Feuer niedergebrannt war, sagte der Engel mit einer erstaunlich sanften Stimme: "Und jetzt steht auf und kommt, wir werden noch einmal an den Anfang zurückgehen."

 

Der neue Start am Punkt Null
Die Menschen standen auf, nackt, ohne Uniform, aber in ihrer Scham bedeckt durch jeweils einen Engel an ihrer Seite, der sie in einer riesigen, langen Menschenschlange zurückführte zu demselben Ort, an dem sie das Königreich Gottes betreten hatten. Und diesmal ging jede Person, begleitet von einem Engel, langsam und bedächtig zur Station 1, trug seinen Namen im Armeeregister ein, nahm eine neue Uniform und neue Stiefel in Empfang, ohne jede Abzeichen. Dann ging der Engel mit der Person zur 2. Station, wo jeder ein Schwert, symbolisch für das Wort Gottes, empfing.

 

Dann ging es zur dritten und letzten Station, wo jeder ein Erntewerkzeug bekam - und damit einen genau definierten Auftrag, eine Platzanweisung Gottes. Schließlich ging der Engel mit jeder Person zielstrebig zu einem ganz genau bestimmten Ort auf der großen Ebene, wo er "seine" Person anwies, sich exakt in den Schlachtordnungen Gottes aufzustellen und den für ihn persönlich vorgesehenen Platz einzunehmen. Dann verließ der Engel die Person. Nach einiger Zeit entstand so eine Armee unglaublicher Schlagkraft. Jeder stand exakt an seinem Platz. Jeder wusste genau, was sein Auftrag war. Keiner tat mehr, was ihm recht dünkte, sondern man achtete peinlich genau auf die Aufgabe und die Funktion, die jeder auszuüben hatte. Glückliche, aber auch wilde Entschlossenheit war auf den Gesichtern der Menschen geschrieben - und der Film war für mich hier zu Ende. Ich hatte Tränen in den Augen, war entsetzt und dankbar zugleich. Am Ende meines Abendvortrags entschloss ich mich jedenfalls damals, diesen "Film" so zu erzählen, wie ich ihn jetzt niedergeschrieben habe.

 

Clint Toews
ist ein kanadischer Prophet und Autor aus Winniepeg, der genau in diesem Moment aufstand. Er sagte, er habe eigentlich geplant, an diesem Abend in einer anderen Gemeinde in Toronto zu sprechen. Aber Gott habe ihn umdirigiert und ihm aufgetragen, an diesem Ort zu sein, wo ich sprechen würde. Er habe ein prophetisches Wort von Gott für diesen Moment. Ich fragte meinen Freund Dr. Ken Stade (enfalls aus Winniepeg), der das Treffen leitete, ob das in Ordnung sei, denn ich halte es für richtig, nicht ungeprüft irgendeinem "Propheten", sondern bewährten Menschen Gottes, das Mikrophon zu überlassen. Ken stimmte zu.

 

"Nein!" Clint sagte, Gott habe eine ganz einfache Botschaft an uns alle. Sie steht im Buch Josua Kapitel 5,13-14. Josua, kurz vor der Eroberung Jerichos, sah sich plötzlich einem mit einem Schwert bewaffneten Mann unbekannter Herkunft gegenüber. Mutig ging er auf ihn zu und fragte ihn:

"Gehörst du zu uns oder unseren Feinden?" Der Mann antwortete: "Nein!" Clint rief: "Genau dieses ´NEIN!´ ist Gottes Antwort auf unsere unausgesprochene Frage, wann sich Gott endlich unserem Projekt, unserem Plan, unserer Gemeinde, unserer Kirche, unserem Werk, ja, unserem Krieg anschließt. Gott wird sich nicht unseren menschlichen Plänen anschließen, oder gar unseren Kirchen. Er ist es, der seine Kirche baut.

 

Deshalb: Nein! Aber wenn wir umkehren, unseren Stolz bekennen, unserem erbärmlichen Denominalismus und Fraktionsdenken absagen, niederknien und unsere Schuhe ausziehen, weil wir erkennen, dass der Heerführer über das Heer des Herrn vor uns steht, Jesus Christus, dann wird es möglich, dass er das Heeres-Kommando wieder übernimmt, das wir ihm wie selbstverständlich aus der Hand genommen haben. Und wenn wir uns dann gemäss seiner Schlachtordnung an unserem vorbestimmten Platz aufstellen und seine Kommandos buchstäblich befolgen, wird der Sieg in kürzester Zeit geschehen; Jericho ist ein historisches Beispiel.

 

Die Ehre für Gottes Siege wird dann aber nicht länger irgendeinem Wimpel, irgendeinem Fähnlein, irgendeiner Denomination, einem Missionswerk oder einem grandiosen menschlichen Welterrettungsplan zufallen, sondern dem Lamm Gottes alleine, Jesus Christus."

 

Quelle: Wolfgang Simson
(darf unverändert und mit Quellenangabe weiter gegeben werden)